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KI in der Praxis

Von Rocket Science zum Helpful Friend – Webinar von Page × W&V

Ist KI in der Praxis keine Science Fiction mehr? Insights aus einem Webinar von PAGE x W&V
Illustration: Stable Diffusion
Viele haben inzwischen ChatGPT schon ausprobiert und das Tool hat es – wie einst einmal Google – bei vielen ins Daily Business geschafft. KI ist in der Praxis also angekommen. Aber was ist mit komplexeren Aufgaben? Welche Tools gibt es und wie kann man sie einfach anwenden? Ein gemeinsames Webinar der Zeitschriften PAGE und W&V mit dem Titel „Vom KI-Hype zu Praxis“ versprach konkrete Anwendungsbeispiele.

Marketing-Strategie via SWOT-Bot (Stephan Thiel, Studio NAND, Berlin)

Den Auftakt macht Stephen Thiel von NAND. Zunächst ging kurz auf die Geschichte und die Funktionsweise von Künstlicher Intelligenz ein. KI ist seit den 60er-Jahren ein Thema und schon vor zehn Jahren stellte der Film „Her“ spannende Fragen zu unserem Umgang mit künstlicher Intelligenz. Für die Allgemeinheit ist Künstliche Intelligenz jedoch erst seit dem 30.11.2022 aus dem Reich der Science Fiction in die Gegenwart geplatzt. Dieser Tag, an dem OpenAi ChatGPT für die Öffentlichkeit zugänglich machte, ist quasi der „iPhone-Moment der KI“.

Anschließend stellte Stephan das von ihm mitentwickelte Analyse-Tool SWOT Bot vor. Das KI-Tool kann aus verschiedenen Quellen SWOT-Analysen von Unternehmen erstellen. Eine ansonsten sehr mühevolle und zeitfressende Arbeit. Die Analyse wird anschließend von der KI präsentationsreif aufbereitet und als Powerpoint-Datei zur Verfügung gestellt.

Storyboard mit KI (Robert Andersen, Jung v. Matt/Creators)

Bevor Robert zu seinem eigentlich gab auch er einen kurzen Abriss, wo und wie sich KI-Tools überall einsetzen lässt. Für Kreative heißt das, dass sie sich der Frage stellen müssen, was (professionelle) Kreation eigentlich ist? Dafür brachte Robert die prägnante Formulierung „Creativity ist novelty that works“. „Core competency of a creative“ sei es „to thrill the ones who aren’t“ – Begeisterung zu wecken sei Kernaufgabe von Kreativen. Die Werkzeuge und Techniken dabei sind zweitrangig. Die KI als „neue Kollegin“ bietet die Chance, sich von ihr überraschen zu lassen und breitere Ansätze (ohne „Bias“) zeigen zu lassen. Jedoch muss man die Ergebnisse kritisch hinterfragen, den oft entsteht „plausibler Müll“.

Dann zeigte er einige konkrete Beispiele, wie mit Midjourney und DALL-E beeindruckende Visualisierungen von Ideen entstehen. Die spannende Frage sei jedoch, hier „jenseits der Lucky Shots“ zu gelangen, was mit diesen Tools sehr schwierig sei. JvM hat deshalb auf Basis von StableDiffusion ein eigenes KI-Modell aufgesetzt und trainiert, sodass sich jetzt „Subjekte“ referenzieren lassen, die in unterschiedlichen Szenen gleich, oder doch zumindest sehr ähnlich aussehen. So kann zum Beispiel der, von JvM für die Bosch-Kampagne „Like a Bosch“ kreierte, schräge Typ SHAWN ganz einfach durch Eingabe von SHAWN in verschiedenen Szenarien platziert werden. Oder ein BMX in verschiedenen Umgebungen platziert werden. So lassen sich Ideen sehr schnell visualisieren, was zu einer deutlich größeren Bandbreite an Ideen – und damit einer höheren Ergebnisqualität – widerspiegelt.

ChatGPT für deinen Content (Jens Polomski, Tool-Expert)

Jens Polomski erklärte zuerst Funktionsweise und Hintergründe von ChatGPT. Dabei ging er auch auf Einschränkungen und Einsatzbereiche jenseits von Text ein. Denn ChatGPT kann auch Programmieren (Python, HTML, PHP, Schema Markup u. v. m.), Tabellen erzeugen und (in der Pro-Version) Plugins nutzen und somit auf externe Datenquellen zugreifen. In Kürze wird es GPT-4 möglich sein, auch Bilder zu verarbeiten. Die rechtliche Situation bei alldem ist jedoch unglaublich schwierig. Es gibt (noch) keine verbindliche Rechtsprechung dazu und Tools für die vermeintliche Erkennung sind extrem fehleranfällig.

Praktische Anwendungsfälle für ChatGPT sieht Jens in den folgenden Bereichen:

  • Content-Marketing: Ideen für Blog-Beiträge, Identifizieren von Content-Lücken, Keyword-Recherche, Content Pläne, Befehle für Bildgeneratoren erstellen, Meta-Titles und Descriptions erstellen, FAQs als strukturierte Daten für Google, E-Mails usw.
  • Performance-Marketing: Neue Keywords, Synonyme, Konkurrenz finden, Anzeigentexte usw.
  • Social Media: Ideen für Beiträge, Erstellen von Beiträgen, Ideen für CTAs, Umformulierungen je nach Netzwerk, Antworten auf Kommentare usw.

Darüber hinaus lässt sich ChatGPT für Brainstorming, Songtexte, Gedichte, Zusammenfassungen, Rezepte, Geschichten aus verschiedenen Perspektiven, Quizfragen, Stellenausschreibungen und vieles mehr einsetzen. Das Programm kann aus Blogbeiträgen Tweets erstellen, Youtube-Videos zu Blogbeiträgen machen, lange PDFs zusammenfassen, komplizierte Texte einfach erklären, Fragen und Antworten aus Text generieren und sogar weiterführende Themen ableiten.

Auch für die Formulierung von Prompts gab er wertvolle Praxistipps:

  • Shit in – shit out: Je mehr Kontext und Vorgaben gemacht werden, desto besser werden die Ergebnisse
  • Ziele definieren: Dabei kann zum Beispiel die Zielgruppe oder der gewünschte Sprachstil genannt werden
  • Sag, was du nicht willst: „Negative Prompting“ kann gut dabei hilfen, die Ergebnisse zu steuern.
  • Definiere den Einsatzzweck/das Format: Je genauer man die Plattform oder das Medium benennt, umso genauer kann ChatGPT arbeiten.

„Eigentlich ist es ganz einfach – sprich mit der KI wie mit deinen Kollegen“ fasste er zusammen, bevor er noch einen kurzen Ausblick auf weitere Texttools wie Jasper und neuroflash sowie weitere Anwendungsgebiete wie Bildbearbeitung (Midjourney, DALL-E 2, Stable Diffusion, getimg.ai), Video (runway, Adobe Firefly, synthesia.io), Stimme (elevenlabs, Beathoven.ai, Play.ht). (Links zu diesen und weiteren Tools finden sich auch in meiner kontinuierlich aktualisierten Liste von KI-Werkzeugen.)

Anschließend ging Jens noch ganz kurz auf die Risiken und Herausforderungen ein. Large Language Modelle sind meistens eine Black Box und KI wird Jobs verändern. Er schloss optimistisch mit der Aufforderung, keine Angst vor KI zu haben, sie als Werkzeug zu nutzen und neugierig zu bleiben.

Fazit: KI in der Praxis – wie man den Change angehen kann

Die Vortragenden waren sich darüber einig, dass mit KI eine echte Disruption im Gang ist und eine neue Ära beginne – das Zeitalter des assistierten Arbeitens. KI gefährde dabei weniger Jobs, als dass sie sie ergänze. Der Zugang werde spielerischer und damit für weitere Menschen möglich. Jeder werde damit (bis zu einem gewissen Maß) umgehen können.

Im Marketing war KI auch vor dem Hype ein großes Thema (Dynamische Preise, Unterstützung beim Bidding), aber auch eine Domäne von Spezialisten. Nun drohe eine Spaltung in Unternehmen, denn man müsse ständig am Ball bleiben und verschiedene Tools kennen. „Einmal gesehen, kann ich“ werde nicht mehr reichen. Und das Tempo werde sich weiter erhöhen. Gleichzeitig steige der Zeitbedarf für Reflexion und Qualitätssicherung.

Wichtig sei, die Early Adopter dazu anzuhalten, auch andere mitzunehmen. Denn es gibt ganz unterschiedliche Tempi beim Zugang zwischen den Mitarbeitenden. Um KI als „Team-Mitglied“ erfolgreich einzubinden braucht es klare Rollen (z. B. als „Sparrings-Partner“), Koordination und Übergaben sowie Vertrauen in die Mitarbeitenden und ihren Umgang mit KI, das sich nur durch spielerisches Experimentieren einstellen kann.