Ein Blick auf die ADC-Konferenz zur Künstlichen Intelligenz in der Kreativbranche
Am vergangenen Donnerstag versammelten sich in Krefeld Studierende und Experten aus der Kreativbranche zu einer Konferenz zum Thema Künstliche Intelligenz. Organisiert wurde „AI – Boom or Bääm?“ vom Art Director’s Club Deutschland (ADC) und der Hochschule Krefeld, bot die Veranstaltung spannende Einblicke in die Auswirkungen und Potenziale der KI auf die kreative Gestaltung. In sechs informativen Vorträgen wurden unterschiedliche Perspektiven und Ansätze beleuchtet, die die Zukunft der kreativen Industrie maßgeblich beeinflussen könnten. Doch zunächst sollte ein defekter Beamer, hoch unter der Decke montiert, für erhebliche Verzögerungen sorgen.
Ümüt Yildiz: Viel mehr als nur Prompting
Nachdem ein funktionierender neuer Beamer organisiert worden war, konnte Ümüt Yildiz, Dozent für Creative Coding an der Hochschule Niederrhein, die Konferenz mit einem inspirierenden Einblick in seine Arbeit eröffnen.
Er begann mit seinem sehr minimalistischen Arbeitsplatz, der nur aus einem kleinen Schreibtisch besteht. Umso mehr beeindruckten die Beispiele seiner KI-Arbeiten für Cro, Bilderbuch, Bulgari, Tods oder Vogue das Publikum. Er betonte, dass KI nicht nur ein Werkzeug ist, sondern eine tiefe Auseinandersetzung erfordert. So sammelt er seitdem Kunst-Bücher und besucht regelmäßig Ausstellungen.
Durch eigenes Training von Modellen (Stable Diffusion über ComfyUI) lassen sich individuelle Kreationen erzeugen oder auch konkrete Objekte in die KI-Bilder integrieren. Doch erst das Zusammenspiel von KI-Tools wie Midjourney, Stable Diffusion, Adobe Firefly, colab mit „klassischen“ Designprogrammen wie Photoshop, Premiere, Indesign und Davinci Resolve entstehen seine Werke. Sein Vortrag zeigte eindrucksvoll, wie KI das Design beeinflusst und kreative Möglichkeiten erweitert.
(Mehr zu Ümüt im ADC-Interview)
Claudia Rafael: Von Schönheitsnormen und ästhetischen Formen
Claudia Rafael, Digital Künstlerin und Art Direktorin, ist Absolventin der Hochschule Krefeld. Sie führte das Publikum in die faszinierende Welt der Technologie, erweiterter Realität und ästhetischer Formen ein.
Die Arbeiten ihres Designstudios NEWFORMAT für Goldfrapp, The North Face und Ottolinger, die sich mit der Verschmelzung von Analogem und Digitalem beschäftigen, hinterließen einen bleibenden Eindruck. Neben vielen Beispielen gab sie auch Einblicke „hinter die Kulissen“. Neben komplexen 3D-Szenarien zeigte sie auch ganz pragmatischen Ideen, wie die Nachbearbeitung von KI-generierten Modellen mit FaceApp zur Erzielung eines natürlichen Looks.
Miguel Schmid: Erfolgreich kreativ, mit und ohne AI
Miguel Schmid, ausgezeichneter Art & Creative Director, war unter anderem für die grafische Ausstattung des Wes Anderson Films „Hotel Budapest“ verantwortlich. Er bot einen tiefen Einblick in die Mechanismen der Kreativindustrie und beleuchtete die Frage, warum einige Kreative erfolgreich sind und andere ihr Leben lang erfolglos bleiben. Dazu zog er Parallelen zu Trends im Musikbusiness: Dort gibt immer jemanden, der der/die „Erste“ ist und jemanden, der/die „Beste“ (im Sinne von, „handwerklich relevanteste“) sowie, meist nicht so gute, aber via Major-Marketing künstlich gehypte Künstler:innen, gefolgt von zahlreichen nicht so guten, günstigeren, regionalen Alternativen. Irgendwann hat der Trend dann den Mainstream erreicht. Um relevant zu bleiben, müssen Künstler:innen sich dann (un)freiwillig der Zeit anpassen.
Zum Schluss gab er ein paar praktische Tipps für kreativen Erfolg – ob mit oder ohne AI – die sich sowohl an junge Talente als auch erfahrene Kreative richteten. Sein Fokus auf Selbstbestimmung als Schlüssel zu Glück und Erfolg war zwar recht nah an platten Kalendersprüchen, stellte aber eine erfrischende Ergänzung des Programms und einen guten Übergang in die Pause dar.
Mieke Haase: PLAI WITH ME
Mieke Haase, Chief Creative Officer von loved, beeindruckte mit ihrer experimentellen Herangehensweise an Text-to-Image-Tools und der intensiven Nutzung von KI in ihrem kreativen Prozess. Sie stellte ihre „KI-Puppe“ KOI und die eindrucksvolle Bilderserie vor, die als roter Faden durch ihre vielfältigen Projekte führt.
Sie versteht es meisterhaft, ihre langjährige Erfahrung aus der Magazingestaltung und der Zusammenarbeit mit erstklassigen Fotografinnen in ihre KI-Projekte einfließen zu lassen. Spannend war vor allem ihre Bilderserie, die authentische Porträts aus dem amerikanischen Mittleren Westen zu sein schienen, jedoch von KI generiert wurden. Mieke zeigte, wie bestimmte Wörter im Prompt den „Foto-Realismus“ der KI-generierten Bilder beeinflussen.
Zum Abschluss gab sie noch ein paar grundsätzliche Tipps zum Umgang mit KI: Loslassen, Teamarbeit, Experimentieren … und: Einfach mal anfangen.
Misch Strotz: Destroy this technology now!
Misch Strotz, Gründer der Agentur Neon Internet, nahm das Publikum mit auf seine Reise durch die Welt der KI. Seine Entwicklung von anfänglicher Skepsis hin zu einem optimistischeren Blick auf KI zeigte die vielfältigen Facetten dieser Technologie. Besonders spannend war die Vorstellung seiner AI-App letz.ai, die es ermöglicht, spezifische Objekte und Personen in die KI-Welt zu integrieren.
Boris Eldagsen: Fotografie vs. Promptografie – Befreundet oder verfeindet?
Boris Eldagsen, renommierter Fotokünstler, wurde für seinen Vortrag per Video zugeschaltet. Bekannt wurde er, als er mit einem KI-generierten Bild den renommierten Sony World Photography Award gewann und die Auszeichnung ablehnte. Sein Hintergrund als Hochschullehrer, Fotokünstler und Freelancer für digitale Medien verschafft ihm einen einzigartigen Blick auf das Spannungsfeld zwischen Fotografie und KI.
In seinem Vortrag lieferte eine inspirierende Auseinandersetzung mit dem Verhältnis von Fotografie und „Promptografie“. Dann nahm er typische Vorbehalte gegenüber KI unter die Lupe. Zum Beispiel die Annahmen, dass KI nicht kreativ sei, lediglich Dinge kombiniere und keine Seele habe. Dabei zeigte er eindrucksvoll, dass KI in der Lage ist, bekannte Ideen zu kombinieren und neue Perspektiven zu erforschen.
Abschließend unterstrich er, dass auch KI-Skills erarbeitet werden müssen. Er verdeutlichte dies anhand seines eigenen Projekts „Pseudomnesia III“. Hier zeigte er einen komplexen Workflow, um zu den beeindruckenden Ergebnissen zu gelangen. Damit zeigte er eindrucksvoll, dass Kreativität in Verbindung mit KI keineswegs ein automatisierter Prozess ist, sondern eine hochgradig anspruchsvolle Kunstform darstellt.
Fazit
„AI – Boom or Bääm?“ war ein inspirierendes Event. Prof. Richard Jung und sein Team haben eine gelungene Mischung von Vorträgen zusammengestellt. Die Vorträge boten ganz unterschiedliche und vielfältige Einblicke und ermöglichten neue Perspektiven. Sie verdeutlichten, dass der wahre Fortschritt entsteht, wenn Mensch und Maschine zusammenarbeiten. Ein wichtiges Stichwort dafür war in mehreren Vorträgen das Wort „Neugierde“. Denn der durch KI in Gang gesetzte technologische Wandel erfordert nicht nur technische Expertise, sondern vor allem die Bereitschaft, Zeit und Leidenschaft zu investieren.
Eine besondere Herausforderung für Kreative ist dabei, dass die Ergebnisse nie wirklich genau zu kontrollieren sind. Durch „bessere“ Prompts bekommt man zwar meist auch bessere Ergebnisse. Doch auch mit dem besten Prompt braucht es oft viele Variationen, bis ein wirklich zufriedenstellendes Ergebnis vorliegt. Wirklich spannend wird es jedoch erst, wenn man es nicht bei diesem Ergebnis belässt, sondern es durch weitere Bearbeitung oder das Setzen in einen neuen Kontext transformiert. Ein lohnender Ausflug.